Was ein Schweißer fühlt, wird sichtbar – Sportwissenschaftler erforschen Belastung
Funken sprühen, der schillernd helle Lichtbogen lässt die enorm hohen Temperaturen erahnen, die nur durch die Schutzkleidung ertragbar sind. Trotz allem arbeitet der Mann hochkonzentriert und sorgt mit seinem Schweißbrenner dafür, dass Metall verbunden wird.
Der Acht-Stunden-Tag eines Schweißers ist körperlich extrem belastend. Wie belastend, wurde in einer Studie der Abteilung Sportmedizin der Justus-Liebig-Universität (JLU) erforscht. „Das, was der Schweißer fühlt, wird sichtbar gemacht“, erklärt deren Leiter Prof. Frank C. Mooren. Ziel war es zu prüfen, wo die Hauptbeanspruchungen im muskulären Bereich liegen. Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse können so kompensatorische Bewegungsprogramme entwickelt und Haltungsempfehlungen gegeben werden, die die Arbeiter im Sinne der Prävention vor den Folgen einseitiger Belastungen und dauerhaften Schäden schützen.
Das Projektteam (v. l. n. r.) Dr. Karsten Krüger, Jan Hasselbaum, Carmen Petermann, Prof. Frank C. Mooren
Die erhobenen Daten fließen aber auch bei der Entwicklung neuer, ergonomischer Schweißbrenner ein. Denn hinter dem Forschungsprojekt steht ABICOR BINZEL. Das innovative Unternehmen finanzierte über einen Zeitraum von zwei Jahren die als Doktorarbeit angelegte Forschung. Die Gießener Wissenschaftler am Kugelberg betraten mit der Kooperation Neuland. „Sport- und Arbeitsmedizin liegen nicht weit auseinander“, weiß Mooren. Ob Leistungssportler oder Schweißer, beide erbringen Leistung und beide ermüden dabei. Mit der körperlichen Ermüdung sinkt die Leistungsfähigkeit und mit ihr die Konzentration. Der Schweißer ist im Rahmen eines ganz normalen Acht-Stunden-Tages körperlich stark belastet. Das Verharren in einer bestimmten Körperhaltung über einen längeren Zeitraum, hohe Temperaturen, das Gewicht des Schweißbrenners sowie der dazu benötigten Schutzkleidung mit Handschuhen, Schweißmaske und die millimetergenaue Arbeit mit den Werkstoffen, ob robuster Stahl oder empfindliches Aluminium, verlangen dem Arbeiter alles ab.
Doktorarbeit als Herausforderung
Um eine Vorstellung von der Belastung zu bekommen, „habe ich selbst zum Schweißbrenner gegriffen“, erzählt Carmen Petermann. Die zierliche Sportwissenschaftlerin und Sporttherapeutin aus Heidelberg hatte sich für die, von der Abteilung Sportmedizin in Gießen und ABICOR BINZEL ausgeschriebene, Doktorarbeit beworben und den Zuschlag erhalten. Gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter am Sportinstitut, Dr. Karsten Krüger, der die Doktorarbeit betreut, musste sie zunächst einmal ein Verständnis dafür entwickeln, wie man schweißt. „Die bereits vorliegenden Statistiken sagen aus, dass es bei den Schweißern vermehrt zu Rücken- und Schulterproblemen kommt“, beschreibt Krüger die Herangehensweise. Aus diesem Grund wurde beschlossen, die Forschungsarbeit auf die daran beteiligten Muskelgruppen zu fokussieren.
Die in der Sportmedizin angewendeten Untersuchungsmethoden wurden an die ungewöhnliche Aufgabenstellung, die körperliche Belastung eines Schweißers mess- und damit sichtbar zu machen, angepasst. „Wir benutzten eine Kombination unterschiedlicher, sich ergänzender Methoden“, so der wissenschaftliche Mitarbeiter.
In der 60-minütigen Vorbereitungszeit je Proband wurden die Elektroden für die EMG-Messung auf die zu untersuchenden acht verschiedenen Muskeln angebracht und das Blutdruckmessgerät fixiert. Darauf erfolgten eine erste Abnahme von Blutlaktat sowie eine Bestimmung von Blutdruck und Herzfrequenz. Nach etwa 10-minütigen dynamischen Aufwärmübungen für die jeweiligen zu messenden Muskeln, bei der jede Übung 3 mal 15 Wiederholungen betrug, wurden Maximalkrafttests an der zu untersuchenden Muskulatur durchgeführt. Sie beinhalteten ein maximales statisches Anspannen des Muskels für 5 Sekunden in einer auf den betroffenen Muskel abgestimmten Körperhaltung. Danach wurde der eigentliche Schweißdurchgang im MAG-Verfahren mit Mischgas M21 durchgeführt. Betrachtet wurden die Positionen PF (Steigposition) im Sitzen und PD (Horizontal- / Überkopfposition) im Stehen. In jeder Position wurde 5 mal 5 Minuten mit Pausen von 30 Sekunden zwischen den Durchgängen geschweißt.
Nach jeder der beiden Positionen wurde Blutlaktat, Blutdruck und Herzfrequenz gemessen und das subjektive Anstrengungsempfinden während der Schweißtätigkeit erfragt. Zur Bewertung des subjektiven Anstrengungsempfindens wurde die Skala nach Borg* herangezogen. Auf dieser Skala von 6 bis 20 steigt die Schätzung der Anstrengung linear mit der Leistung an und kann anschließend in Bezug zu den physiologischen Messgrößen gesetzt werden. Nach der nahezu 1-stündigen Schweißtätigkeit wurden nochmals ein Maximalkrafttest der Muskeln und eine Handkraftmessung durchgeführt.
Intensive Vorbereitung: Aufbringen der Elektroden für die EMG - Messung, Aufwärmübungen und Maximalkraftmessung
Bewertung nach der Borg-Skala
Die Messung der Muskelaktivität wurde mittels 8-Kanal-EM sowie der Software für eine computergestützte Aufnahme und Analyse der Daten durchgeführt. Zusätzlich wurden die Schweißtätigkeiten mit einer Videokamera synchron aufgezeichnet. Gemessen wurden acht Muskeln an der dominanten Hand: Mm. flexor (Unterarmbeugemuskulatur), Mm. extensor (Unterarmstreckmuskulatur), M. biceps brachii (Oberarmbeugemuskulatur), M. triceps lateralis (Oberarmstrecker), M. deltoideus pars mediale (großer Schultermuskel), M. trapezius pars ascendens (Nackenmuskel), M. infraspinatus (Schultermuskel) und M. erector spinae pars lumbalis (unterer Rückenstrecker). Die Elektroden wurden dabei parallel zum Muskelverlauf angebracht und mit flexiblem Tape fixiert, um ein Verrutschen der Elektroden aufgrund der hohen Schweißbildung zu vermeiden.
Die Ergebnisse für das Belastungsempfinden (Grafik 1), zeigen, dass sich die Schweißer beim Arbeiten mit dem gewichtsreduzierten Brenner deutlich weniger belastet fühlen. Dies belegen auch die etwas niedrigeren Blutdruckwerte. Das wichtigste Ergebnis ist allerdings, dass in beiden Schweißpositionen die Muskelbelastung an 5 von 8 Muskeln beim Einsatz der gewichtsreduzierten Brenner ABIMIG® GRIP A LW Brenner signifikant niedriger ist. Die Grafik 2 zeigt die Ergebnisse für Position PD und Grafik 3 für Position PF. Vor allem die Schulter- und Armmuskulatur wird deutlich weniger beansprucht. Im praktischen Dauereinsatz führt dies zu weniger Beschwerden und als Konsequenz zu niedrigeren Ausfallzeiten durch krankheitsbedingte Abwesenheit.
Grafik 1:
Ergebnisse des subjektiven Belastungsempfindens mittels Borg Skala
Grafik 2:
Ergebnisse der Muskelaktivität der 8 unterschiedlichen Muskeln während der Schweißposition PF (stehend)
Grafik 3:
Ergebnisse der Muskelaktivität der 8 unterschiedlichen Muskeln während der Schweißposition PD (sitzend)
* Die Borg-Skala ist ein von Prof. Dr. Gunnar Borg (Stockholm) erfundenes Bewertungsverfahren zur Beurteilung des subjektiven Belastungsempfindens.
Praxis bestätigt Untersuchungsergebnisse
Eine zusätzliche Messkampagne bei einem Automobilzulieferer, der die Brenner ABIMIG® GRIP A LW seit mehreren Monaten im Einsatz hat, bestätigte die o. g. Untersuchungen. Die Schweißer äußerten sich sehr positiv und möchten den Brenner ABIMIG® GRIP A LW nicht mehr aus der Hand geben. „Meine Schulter-Beschwerden sind praktisch verschwunden“ bestätigt einer der Schweißer in einem kurzen und prägnanten Statement!
„Wir entwickeln ständig neue Schweißbrenner, damit ein Schweißer mit der von ihm geforderten Präzision arbeiten kann.“ Jan Hasselbaum, bei ABICOR BINZEL im Bereich Vertrieb und Marketing tätig, weiß wovon er spricht. „Bei unseren Entwicklungen steht der Mensch, also der Schweißer, im Mittelpunkt.“ Prof. Mooren ergänzt: „Wir stellen fest, dass Unternehmen zunehmend erkennen, dass Arbeitnehmer Kapital sind, das es zu schützen gilt.“
Als betriebliches Gesundheitsmanagement hält es zunehmend in den Unternehmen Einzug. Die Lebensarbeitszeit der Mitarbeiter, der Fachkräfte, zu verlängern, sie leistungsfähig, fit und gesund zu halten, müsse Ziel eines jeden Arbeitgebers sein.
Die Kooperation mit dem „Global Player“ aus Buseck bezeichnet der Sportwissenschaftler und Mediziner Mooren als Glücksfall, der über persönliche Kontakte zustande kam. „Dr. Emil Schubert, der Geschäftsführer von ABICOR BINZEL, war im Sportinstitut zur Leistungsdiagnostik“, erzählt er. In den Gesprächen ging es jedoch irgendwann nicht mehr nur um die körperliche Leistungsfähigkeit der Testperson Schubert. „Wir unterhielten uns darüber, dass Leistung nicht nur etwas mit Sport, sondern auch mit Arbeit zu tun hat. Dass Leistungsfähigkeit mit dem Grad der Ermüdung zusammenhängt und dass sie abgebildet werden kann.“
Die Idee für eine Zusammenarbeit nahm Gestalt an. „Unsere Entwickler machen sich Gedanken, wie die Schweißbrenner anwenderfreundlich gestaltet werden können. Die praktischen Erfahrungen der Arbeiter fließen dabei mit ein“, beschreibt Hasselbaum die weiteren Beweggründe des Unternehmens, die Doktorarbeit zu finanzieren, in der die Zusammenarbeit mit den Gießener Sportwissenschaftlern als „intensiv und spannend“ bezeichnet wird.
Fazit: Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass hauptsächlich die Schulter- und Armmuskulatur bei Schweißarbeiten in den Positionen PF und PD beansprucht werden und sich hierbei ein leichterer Schweißbrenner als vorteilhaft und als weniger beanspruchend herausstellte.
Ob im Stehen oder Sitzen – ein leichter Schweißbrenner entlastet die Schulter und Armmuskulatur.
Die gewichtsreduzierten Schweißbrenner der Baureihe ABIMIG® GRIP A LW befinden sich seit über einem Jahr im industriellen Einsatz und sind bei Berufs-Schweißern sehr gut angenommen worden. Der hervorragend ausbalancierte Brenner mit dem leicht gebogenen Griff liegt gut in der Hand und durch die Gewichtsreduzierung fühlen sich die Schweißer in ihrer täglichen Arbeit weniger belastet. Das Gewicht konnte im Wesentlichen durch den Einsatz von Leichtmetall-Komponenten bei den stromführenden Kabeln im Schlauchpaket reduziert werden, wo das sonst übliche Kupfer durch Leichtmetall-Komponenten substituiert wurde. Trotz des verringerten Gewichts sind die Schweißbrenner voll industrietauglich und erfüllen die gängigen Normen u. Regelwerke, insbesondere die DIN /EN 60974-7.
Nackenmuskulatur
M. trapezius
M. infraspinatus
M. deltoideus medialis
M. erector spinae
Armmuskulatur
M. biceps brachii caput breve
M. triceps brachii caput lateralis
Mm. flexor
M. erector spinae
Rückenmuskulatur
M. erector spinae